Kaffee am Morgen
Von der Wohnungstür aus betrachtet befindet sich mein Zimmer am anderen Ende der Anlage. Mein kleines Reich. Vielfarbige Vorhänge, rötliche Teppiche, blauschattierte Tischtücher, eine pinkfarbene Bettdecke. Mein buntes Reich. Die Regionen jenseits meines Herrschaftsgebietes versehe ich mit kritischen Blicken, durchschreite ich mit oftmals gerümpfter Nase. Tritt man in die Wohnung ein, landet man zwar erwartungsgemäß in einem Vorzimmer, allerdings ohne jegliche Garderobemöglichkeit. Als nächstes gelangt man in das Wohnzimmer, das von einer Ahnung Zigarettenrauch durchzogen ist, weil die Rauchfahne aus dem Zimmer der Numero 1 sich nicht auf ihre Quelle beschränken lässt. Die Sitzecke würde allen Ansprüchen der Gemütlichkeit entsprechen, wenn man sie nicht stets unter einem Berg alter Zeitungen und Werbesendungen suchen müsste. Über das Badezimmer gibt es nicht viel zu sagen, da es den Erwartungen nahekommt. Kommen wir zur Küche. Den Boden ziert ein Orientteppich, der die verantwortungsvolle Aufgabe hat, sämtliche Flüssigkeiten, die unabsichtlich herabtropfen, in sich aufzusaugen. Wie praktisch. Auf allen Arbeitsfächen liegen Reste vergangener Mahlzeiten, dieselben Brösel wie schon vor einer Woche, ausgepresste Zitronenhälften, halbleere, aber offene Marmeladegläser, benutzte Buttermesser und Holzbretter. Mein prüfender Kontrollblick fällt täglich in die beiden Waschbecken, das Urteil ist jedesmal ernüchternd: die Pilze schwimmen immer noch in der Spaghettisauce, auch die kleinen, schwarzen, flauschigen Punkte auf dem zahlreichen Besteck frönen weiterhin glücklich ihres Daseins. Wenn ich morgens die Küche betrete, schlägt mir der Duft von Kaffee entgegen - der Duft zweier Sorten: zu einen der des nassen, kalten Kaffeesatzes, der ein paar Minuten zuvor in den Mistkübel geworfen worden ist, zum anderen der eines verbrannten Kaffees, welcher aus den Ritzen einer schlecht zusammengeschraubten Brikka über die Felder des Elektro-Herdes gespritzt worden ist und explosionsartig auf dem heißen Herd verdampft. Fangen dann die Funken auf den Feldern zu sprühen an, taucht meist pünktlich Numero 2 auf, im Schlafanzug, ungeschminkt und missmutig, die das Kaffeekännchen vom Herd schiebt, seinen Inhalt in die Tasse von gestern kippt und mit 150 g Kaffeeobers überschichtet, um dann schlurfend ins Zimmer zurück zu gehen. Guten Morgen.
1 Comments:
Ts. Selbst nach dieser Anti-Werbung?
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