Samstag, 17. April 2010

Der Leuchtturm

Drei Wochen sollte es dauern, ehe wir uns trauten, die heimische Insel auf eigene Faust in unserer Freizeit zu erkunden. Trauten? Mit Büschen voller wilder Löwen, Riesenwürgeschlangen auf der glühenden Straße so weit das Auge reicht und zahllosen mausgroßen Insekten mit giftigem Stachel in der dicken Tropenluft war es nicht einfach, einen Schritt vor die Türe zu setzen.
Der eigentlich Grund war vielmehr ein Fehler im Lenkungssystem unseres Transportmittels, das wir erst behoben wissen wollten, ehe wir mit der Planung von Ausflügen beginnen. Letzte Woche war es so weit: ein Mechaniker nahm sich unseres Missgeschicks an und verwandelte das quietschende, klappernde Fahrobjekt in einen funktionsfähigen Jeep. Der erste Ausflug führte uns in den Norden: auf einer modernen, dank japanischer Finanzkraft errichteten Straße ging es flott durch eine Handvoll Dörfer weniger erschlossener Gegenden dahin. So gut der Asphalt zuvor gewesen war: nach eineinhalb Stunden begrüßten uns Schotter-Lehmpisten mit Wasserlacken und tiefen Rinnen. Drei junge Fahrgäste konnten sich zu den glücklichen Gewinnern des Tages zählen, da wir sie samt ihrer Ladung (2 Säcke mit ..Reis?) mehrere Kilometer mitnahmen - durch den letzten erhaltenen Urwald der Insel, vorbei an mehreren Dörfern, über noch mehr schlechte Straßen bis zu einer chinesischen Gummibaum-Plantage, die seit Jahren verlassen da liegt; lediglich unendlich scheinende Monokulturen angepflanzt in peinlich genauen Linien zeugen noch heute von dem einstigen chinesischen Interesse an diesem Flecken Erde. Von den drei kleinen Mitfahrern verlassen folgten wir dann dem Verlauf der Halbinsel nordwärts, bis wir bei einer zeitlos wirkenden Stahlkonstruktion haltmachten: der einzige Leuchtturm der Insel. Mit dem Leuchtturmwärter gemeinsam erarbeiteten wir die Wendeltreppe des 38 Meter hohen Turmes und genossen dann in praller Mittagssonne, umweht von kühlendem Wind eine wunderbare Aussicht auf den Nordzipfel, die umliegenden Gewässer und die palmenübersäte Landmasse des Südens. Der Wärter sprach zu uns auf Englisch einige Worte über die Geschichte des Leuchtturms, pries dann seine italienische sowie französische Version des Vortrags an und stellte bedauernd fest, dass noch kein deutscher Tourist für ihn den Text in seine Muttersprache übersetzen wollte - ein Fall für uns: die nächste Stunde bemühten wir uns, im Schatten seines Lehmhauses, umringt von stillen, aber neugierigen Mädchen, Buben und Hühnern, den technisch anspruchsvollen Text in verständliches Deutsch zu übersetzen, während der Wärter in einer für sich selbst optimierten Lautschrift die unbekannten Klänge einer ihm fremden Sprache niederschrieb, dann rezitierte und korrigieren ließ. Ob er uns beim nächsten Besuch schon einen deutschen Vortrag über den Leuchtturm halten kann?

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