Sonntag, 14. September 2008

Stricherlliste

Meine Mitbewohner haben es nicht einfach mit mir, fallen mir doch negative Eigenschaften an ihnen deutlich stärker aus als positive. Positiv hatte es angefangen, und zwar mit einem gemütlichen, stundenlangen, abendlichen Beisammensitzen zu Rotwein und Johannisbeersaft, bei der erste Annäherungen getätigt wurden. Ich erfuhr, dass in den Weinflaschen kein Wein, sondern Olivenöl (aus Eigenanbau), und in den Marmeladegläsern teils Marmelade (aus Eigenanbau) und teils eine salzige, aufstrichartige Paste drinnen ist. Ich erfuhr, dass sie ungern kocht, da sie, wenn sie Hunger hat, sofort etwas essen möchte und nicht erst eine Stunde warten will. Und noch so manch anderes. Gleich am nächsten Morgen aber musste ich meinen ersten Strich auf die Negativ-Liste malen: der Boden unserer großen, weißen Badewanne war fast vollkommen mit schwarzen Fußstapfen bedeckt, die sich im Laufe der Woche höchstens vermehrten, aber keinesfalls entfernt wurden. Am Badezimmerputztag war dann alles wieder sauber, ein paar Tage danach allerdings wiederholt ein ähnliches Muster. Der zweite Strich folgte auch recht bald, als festgestellt wurde, dass benutztes Geschirr offenbar nur mit deutlicher Verzögerung abgewaschen wird. Was ja auch egal ist, wenn es ohnehin 10 Teller, Becher gibt. Aber bei einem einzigen Brotmesser, dass dann morgens, wenn ich frühstücken möchte, jeden Tag verklebt ist mit einer undefinierbaren, mehlhaltigen Creme, hört es dann doch auf. Die ersten beiden Tage, als dies geschah, habe ich das Messer einfach abgewaschen, verwendet, dann wieder abgewaschen. Am dritten ließ ich es liegen, um zu sehen, wann es "von selbst" abgewaschen wird. Am Abend des vierten Tages lag es wieder sauber in der Schublade. Da mir das dann doch zu viel war, kramte ich in meiner Studentenheim-Küchenkiste nach dem alten Brotmesser. Seitdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich morgens ein sauberes Brotmesser vorfinde, deutlich gestiegen, wenn auch die Präsenz des verklebten Brotmessers sich nicht reduziert hat. Ein Glück, dass sie tatsächlich nicht kocht, sonst müssten wir uns vermutlich um die wenigen Töpfe streiten.
Ein positives Strichlein gibt es für ihren Freund, der gelegentlich hier übernachtet, wenn sie nicht bei ihm übernachtet. Wenn ich mich an ihn erinnern müsste, sehe ich eigentlich meist ein Bild vor mir, auf dem sein Kopf im Türspalt ihres Zimmers steckt und mir freundlich ein "Guten Morgen" oder "Hallo" entgegenbrummt. Ansonsten fällt er nicht weiter auf.