Donnerstag, 30. Juni 2011

Finale: Wohnen in Gemeinschaft

Der Unterschied hätte nicht eklatanter sein können: als ich kam, um den Schlüssel abzuholen, lagen seine Besitztümer im ganzen Zimmer verteilt auf Sitzgelegenheiten, Abstellmöglichkeiten und - natürlich - auch auf dem Boden. Er drückte mir ein paar lose Schlüssel in die Hand und sagte: ich räum' das bis morgen auf, kein Problem, deutete auf seine Liegestätte und riet mir: die Bettwäsche kannst du ruhig weiterverwenden, ist erst zwei Wochen alt. Als ich am folgenden Tag zurückkehrte, war nur er verschwunden, seine Habseligkeiten hatten sich auf einem der beiden Tische aufgetürmt und sollten dort die nächsten paar Monate bleiben. Ich schnappte mir den Staubsauger und entfernte erst sämtliche Spinnenmetropolen an den Decken und Ecken des Raumes, dann Brotbrösel unter den Tischen und schließlich jede Menge Undefinierbares auf den Teppichen, das lärmend durch das Staubsaugerrohr klackerte. Danach widmete ich mich der Bettwäsche, gefolgt von einer Komplettrenovierung der Küche, wie gehabt.
4 Monate addiert und 16 Bezirke subtrahiert hole ich wieder einmal Schlüssel ab: diesmal an einem Schlüsselbund und ordentlich in einem weichen Ledertäschchen verwahrt, um empfindliche Hosen- oder Taschenwände nicht zu zerreißen. Am Boden des Zimmers findet sich kein Körnchen Staub, die Stauräume sind leer, der Tisch abgewischt und trocken, im Regal zwei Sets gewaschener und gefalteter Bettwäsche zu meiner Verfügung. Umsonst scannt das geübte Auge die Wände nach Motten und Hüllen ihrer Nachkommen. Umsonst suche ich nach Überresten vergangener Mahlzeiten und unliebsamen Mitbewohnern im Krabbeltierformat, versteckt in Ritzen und Ecken. Einzig zwei nicht nur WG-typische Eigenschaften, die weitverbreitet zu sein scheinen, fallen mir innerhalb der ersten Stunden im neuen Heim auf: das zerknüllte Geschirrtuch auf der Küchenarbeitsfläche und ein vollgesogener, unappetitlich wirkender Spülschwamm im Waschbecken: wäre ja auch zu schade, wenn ich mal durchwegs positiv überrascht werden könnte.

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