Montag, 30. Juli 2012

Ein Leben in Weiß

Vier Mädchen und ich sitzen beim Mittagessen, ein Bild, an das ich mich langsam gewöhnen sollte, denn in unserer Arbeitsgruppe scheinen die Männer wegzusterben, einer nach dem anderen. Sie plappern über das Übliche, dann weckt ein Themenumschwung mein Interesse: Ich, sagt die vor kurzem gewordene Tante von süßen 25 Jahren, werde in einem Monat Taufpatin sein. Was schenkt man da?
Der Täufling ist Kind einer christlichen Mutter und eines aus der Kirche ausgetretenen Vaters; beide wünschen die Taufe nicht von sich aus, fügen sich aber dem Wunsch der Großeltern: Lasst euren Sohn doch taufen, dann kann er später immer noch entscheiden (umgekehrt nämlich nicht). Was schenkt man da?
Wie die Tradition es bei so vielen Feierlichkeiten gebietet, nimmt sich auch die Taufe keine Freiheiten heraus: Es gibt standardisierte Vorgaben, und im 8. Stock eines Hochhauses auf der Holzterrasse bei strahlendem Mittagssonnenschein lerne ich das erste Mal, was diese hierzulande umfassen. Die Tante sucht ein Geschäft, in welchem man Taufkerzen individuell bemalen und verzieren kann, soviel weiß sie schon, auch eine Goldkette gehört zum Taufgeschenk zwingend dazu, die anderen Mädchen nicken und erinnern sich, dass sie auch eine bekommen haben müssten, wenn sie sich erinnern könnten. An der Kette muss ein Anhänger baumeln, ein Schutzengel, empfiehlt die erfahrene Kollegin und Mutter erwachsener Kinder, ein Kreuz, sagen die anderen, keines von beiden will die Tante, die Symbole sind ihr zu religiös (die Aufgaben, die an einen Taufpaten durch sein Gelöbnis vor Gott und der Welt herangetragen werden, nicht?), sie denkt vielmehr an zwei miteinander verbundene Ringe als Zeichen für Unendlichkeit. Zusätzlich stehen Taufgewand oder Bausparvertrag zur Diskussion, über die Tauftorte gibt es allerdings keine Kontroversen: diese ist Pflicht. Jemand schlägt eine Kinderbibel vor, doch da fällt die mütterliche Kollegin ins Wort: Nein, das ist ein Kommunionsgeschenk! Belehrt verlasse ich nach getaner Mahlzeit die gemeinschaftliche Runde.

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