Sonntag, 28. Juni 2009

Auszug nach Jerusalem

Mein Mitbewohner zieht aus. Hatte ich das schon erwähnt? Nein? Dann liegt das vielleicht daran, dass er letzte Woche zu mir sagte: al-iksir, ich ziehe in einer Woche aus. Was ja nicht sonderlich tragisch ist. Bis auf die Tatsache, dass er Hauptmieter ist. Einer von uns, meine Mitbewohnerin oder ich, müsste die Hauptmiete übernehmen. Ich nicht, weil ich ohnehin im Herbst ausziehen wollte. Sie will es auch nicht. Also wird gekündigt. Wurde. Vorgestern. In drei Monaten müssen wir spätestens ausgezogen sein.
Heute zieht mein Mitbewohner aus. Und er nimmt alles mit. Es ist abend, ich habe Hunger. Ich gehe in die Küche. Die Schränke: leer. Keine Töpfe (er kocht doch gar nicht?), keine Teller, keine Schüsseln, keine Tassen, keine Gläser, keine Messer, kein Tisch, kein Wasserkocher, kein Toaster, keine Brotbretter, keine Kochlöffel, keine Geschirrtücher, kein Radio. Ein Wunder, dass das Backrohr noch da ist. Ich gehe ins Bad. Kein Regal, keine Bodentücher. Ich blicke ins Vorzimmer: kein Regal, kein Schrank, keine Leiter, keine Teppiche, keine Bügeleisen, kein Bügelbrett, keine Schuhablage. Ein Wunder, dass die Fenster noch da sind. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird eingepackt und zwei Straßen in der neuen Wohnung weiter wieder ausgepackt. Zurück bleibt eine unbewohnbare Wohnung.

Samstag, 6. Juni 2009

Es schnitzelt

Unglaublich, aber wahr: ich habe meine Mitbewohnerin in der Küche, beim Kochen (!) erwischt. Seit sie von ihrem Asien-Urlaub zurück ist, duftet es in der Küche immer wieder mal genau so, wie wenn ich koche: nach Tofu, gebratenem Gemüse und Sojasauce. Einen großen Nachteil hat aber ihr Motivationsschub: zuhause durch einen Geschirrspüler oder die Gunst der Eltern verwöhnt hat es auch offenbar niemand für nötig befunden, sie in die Kunst der manuellen Geschirrreinigung einzuweihen. So zieren unseren Hausrat noch mehr Töpfe mit Fett-Kräuter-Saucen-Rand, Gabeln mit verklebten Zinken und Speichel-Lippenstift-befleckte Trinkgläser.

Um also heute Mittag meine Müslischüssel nutzen zu können, musste ich erst mal abwaschen. Neben mir briet derweil mein Mitbewohner erst ein fertig-paniertes Schnitzel, dann ein Spiegelei in der Pfanne. Dazu Toastbrot und die Hälfte einer Tomate. Um abends zum Kochen zu kommen, war es weiters notwendig, die gewünschten Töpfe von unidentifizierbaren Rändern zu befreien. Währenddessen briet das Backrohr für meinen Mitbewohner mehrere Schnitzel. Dazu Toastbrot und die zweite Hälfte der Tomate. Ich fragte, ob er immer zwei mal täglich Fleisch äße? Nein, keinesfalls, normalerweise gäbe es Salamipizza, aber weil er diesmal so viel Gemüse dazu hatte, wären die zwei Fleischeinheiten in Ordnung.

Montag, 1. Juni 2009

Tempus fugit

Die Zeit fliegt im Moment wie der Wind. Der Winter ist vorüber, der Frühling auch: heute ist der 1. Juni. Im Kopf fasse ich das Datum kaum - es kann doch noch nicht schon Sommer sein, kann es? Das Sommersemester hatte kaum angefangen und schon befinde ich mich im Endspurt, 8 Monate arbeite ich bereits im Labor, Bewerbungsfristen laufen eine nach der anderen ab, die ich vor kurzem noch in weiter Ferne weilen sah. Ein Ende ist auch immer ein Anfang, doch wüsste ich gerne, der Anfang wovon.