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"Tschüß", sagte sie, drehte uns den Rücken zu und verließ vollbepackt den Raum. "Das war das letzte Mal, dass wir sie unverheiratet gesehen haben", stellt eine aufmerksame Kollegin fest - und das deutlich vor dem Termin für die standesamtliche sowie kirchliche Eheschließung, denn Heiraten ist zeitaufwändig, beinahe die Hälfte des Jahresurlaubs wird dafür verwendet: eine Woche vor der Trauung für die Vorbereitungen in Schuh- und Kleidergeschäften, Einrichtungshäusern, Parfumerien, Blumengeschäften, Druckereien, Restaurants, Kirchen, Friseursalons, bei Make-up-Artists, Freunden und Familienmitgliedern, eine gute Woche danach für die Verarbeitung der Geschehnisse auf spanischen Inseln, denn mir nichts dir nichts wird aus einem Mann und einer Frau von einer Stunde zur nächsten Mann und Frau, Gemahl und Angetraute, da können einen schon mal Zweifel plagen, ob man die richtige Entscheidung zur rechten Zeit getroffen hat. Grund erworben, Kinder eingeplant, nun fehlt nur mehr der Ring am Finger, doch wird sie meinen Nachkommen eine gute Mutter sein, kann sein Lohn unsere Bedürfnisse stillen? Die traditionelle Vorstellung von der Eheschließung lässt die Brautleute gewichtige Schwüre in heiligen Hallen leisten, unter strenger Beobachtung durch die Hochzeitsgäste, bezeugt von ihren Dutzenden Augen- und Ohrenpaaren. Und dennoch, als ob wir es mit amnestischen Freunden und Verwandten zu tun hätten, die vergessen, was sie vor Gott und mehr oder weniger langer Zeit sahen und hörten, lassen sich die vormals so glücklichen Immer-und-ewig-Liebenden nach durchschnittlich 10 Jahren dann doch von den Gegenargumenten überzeugen und brechen das begonnene Unternehmen in nicht ganz jedem zweiten Fall ab (Statistik Austria, 2010). Besser keine Ehe als eine unglückliche, besser selbstgewählte Unabhängigkeit als auferlegte Abhängigkeit. Heutzutage die Möglichkeit einer Scheidung zu haben, ist ein Segen (vermutlich aber nicht Gottes) und tut wahre Wunder: sie löst einst gegebene Versprechen, so bindend und irreversibel sie zum Zeitpunkt ihrer Formulierung schienen, in entlastendes Nichts auf und ermöglicht einen sauberen Neustart.