Über Mitbewohner habe ich noch nie ein gutes Wort verloren. Meine Premierenrolle als sang- und klangloser Mitbewohner sollte mich erst im Februar dieses Jahres ereilen: 2 Wochen lebte ich in friedlicher Eintracht mit anfangs zwei Mitbewohnerinnen, etwas später gefolgt von zusätzlichen 4 Mitbewohnern, die teilweile offenbar Partner-Status hatten (oder auch nicht). Es war ein Paradies auf Erden, getrübt nur durch meine baldige Vertreibung in eine neue WG. Aber auch hier, wo ich bei weitem nicht ideale Zustände vorfinde, kann ich nicht umhin, mich über Aspekte der Lage oder der WG an sich zu freuen, obwohl vieles optimierungsbedürftig erscheint. Weder ein einzelner Raucher, fragwürdige Sauberkeitsverhältnisse, ein dunkles, da hofseitiges Zimmer und Renovierungsbedarf im ganzen Haushalt verleiten mich dazu, böse Worte über die drei Mitbewohner zu verlieren. N. ist jung, freundlich, aufgeschlossen, fröhlich, kooperativ und ähnlich sauberkeitsfanatisch wie ich: mit ihr putzte ich am ersten Abend von 21:00-2:00 sämtliche Oberflächen in der winzigen, aber total verdreckten Küche. A. lässt sich kaum sehen, da er Vollzeit studiert, Vollzeit arbeitet und das erste Mal, angeblich, richtig und ernsthaft verliebt ist. Bleibt nur noch K., der alle paar Wochen für ein paar Wochen auf "Urlaub" fährt, in seiner Funktion als gutaussehender, braungebrannter Sport- und Skilehrer. Sein Zimmer ist das spannendste: keine Fläche, die nicht frei von Kleiderstapeln ist, an Metallstangen hängen ordentlich aufgefädelt Anoraks in den buntesten Farben einer neben dem anderen, an der Wand lehnen ein Mountainbike und etwa 15 Paare Skier, unter dem Hochbett quetscht sich ein Kanu über Unmengen an Sportbekleidung: hier wohnt niemand, hier lagert jemand. Wenn er dann doch mal in der WG vorbeischaut, kann ich ihm nicht übelnehmen, dass gelegentlicher Damenbesuch nachts schon mal etwas lauter wird, kompensiert er dies doch erfolgreich mit meisterhaftem Können: ist er zugegen, wird zumeist asiatisch Angehauchtes im Großfamilienformat aufgekocht, denn Fischsaucen, Glasnudeln, Curry, Koriander, Mangos, Avocados, junge Zwiebeln, Honigdressings, Ingwer, Sternanis, Sesam und Algenblätter gehören zu seinen Lieblingszutaten. Aber nicht nur dadurch besticht die WG, ich genieße auch den Luxus eines gegenüberliegenden Gewässers und der es umgebenden Grün/Grauzone, die ich oft an schönen Sonnentagen und -abenden zum Flanieren und Reflektieren aufsuche.