Blind Date in Pieces - I
Es war eine schicksalhafte Begegnung an jenem herbstlichen Abend, dessen ersterbende Sonnenstrahlen die graue Betonwand eines hässlichen Neubaus am Rande der Stadt in goldenes Gelb tauchten. Ein Mann stand offenkundig schon eine Weile wartend in der Einfahrt und betrachtete interessiert die Kappen seiner auf Glanz polierten Schuhe. Leise schwebten rhythmische Klänge aus einer Musikanlage hinter einer schweren Eisentür hervor, welche ihm gegenüber einen Spalt offenstand, der ebenso spärlich einen Schimmer rötlichen Lichts aus dem dahinterliegenden Raum in die dichterwerdende Dunkelheit hinausließ. Als sie sich ihm näherte, von Kopf bis Fuß in schwarze Gewänder eingekleidet, so wie sie stets zu dererlei Veranstaltungen zu kommen pflegte, die überwiegend kultur- und musikinteressierte Berufstätige mit einer Vorliebe für einen entspannten Arbeitsausklang in elegantem Ambiente anziehen, erhob er hoffnungsvoll das Haupt und richtete seine Augen gespannt auf sie. Seine veränderte Aufmerksamkeit mit regungsloser Miene zur Kenntnis nehmend streifte ihr Blick seine Gestalt nur einen kurzen Moment, ehe sich ihr Gesicht zu einem Lächeln verzog. Einige Meter hinter ihm, in der Finsternis des Hintergrundes, hatte sie die Glut einer Zigarette erspäht und sogleich den Umriss einer vertrauten Person erkannt. Kurzerhand ging sie forschen Schrittes an jenem Unbekannten vorbei und begrüßte den Bekannten herzlich. Der Wortwechsel fiel ausführlicher aus als erwartet, man war einander schon längere Zeit nicht mehr begegnet. Der Unbekannte, hellhörig von Anfang an, verfolgte das zwanglose Gespräch sichtlich und spürbar mit Augen und Ohren, schien sich jedoch nicht daran beteiligen zu wollen. Schließlich, als der Beginn der Veranstaltung nur wenige Minuten entfernt war, wandte sie sich vom Bekannten ab und sprach jenen Mann dreist an: Kann es sein, dass du derjenige bist, auf den ich warte? Er stieß einen Laut aus, der wohl Erleichterung signalisieren sollte und stellte sich vor. Dann gehören wir für heute abend zusammen, beantwortete sie die eigene Frage, ohne selbst ihren Namen zu nennen, und gemeinsam betraten sie den angrenzenden Raum, der Stunden später ihre Zukunft besiegeln sollte. [...]